Erklärung der Orthodoxen Bischofskonferenz von Österreich zum Konflikt in Syrien
Verabschiedet auf der vierten Vollversammlung, 10. November 2012
In tiefer Sorge über die Situation in Syrien appellieren die orthodoxen Bischöfe und Bischofsvikare an die österreichische Bundesregierung und an die Zivilgesellschaft, ihren Einfluss gelten zu machen, damit es in Syrien so bald wie möglich zu einer Friedenslösung kommt. Der in Berlin residierende Weihbischof des orthodoxen Patriarchats von Antiochien, Hanna (Haikal), hat den Bischöfen und Bischofsvikaren neueste Informationen aus Syrien vorgelegt: Es herrscht Chaos, die Zahl der Inlandsflüchtlinge steigt ständig, viele Menschen müssen Hals über Kopf ihre Wohnungen und Häuser verlassen, die Wirtschaft liegt am Boden, es kommt von allen Seiten zu schweren Übergriffen und Verletzungen der Menschenrechte.
Die Angehörigen der religiösen und ethnischen Minderheiten, vor allem die Christen, sind in einer besonders schwierigen Situation. Vor kurzem hat die Ermordung des orthodoxen Priesters Fadi Jamil Haddad die Christen in Syrien zutiefst betroffen gemacht: Der 43-jährige Priester hatte in der kleinen Stadt Qatana gewirkt, er war maßgeblich am Aufbau von christlichen Sonntagsschulen beteiligt. Seit dem Beginn der Auseinandersetzungen in Syrien war er öfter an Verhandlungen zur Freilassung von Entführungsopfern beteiligt. Er wollte im politischen Konflikt nicht Partei ergreifen und war allgemein als ein „Mann Gottes“ geachtet. Gläubige aller Religionsgemeinschaften liebten und schätzten ihn; seit vielen Jahren lud er immer die Muslime von Qatana während des islamischen Fastenmonats Ramadan zum Iftar-Essen ins Pfarrhaus ein. Als er den Entführern eines jungen Arztes das Lösegeld überbringen wollte, wurde er selbst gekidnappt. Sein entstellter Leichnam wurde am 25. Oktober gefunden. Beim Begräbnis – das von Patriarch Ignatios IV. (Hazim) gehalten wurde – ereignete sich ein Bombenanschlag, der mehrere Todesopfer forderte. In einer Erklärung des orthodoxen Patriarchats von Antiochien wird P. Haddad als ein „Märtyrer der Versöhnung“ bezeichnet.
Diese Versöhnung ist das Herzensanliegen der Christen in Syrien. Sie wollen, dass dieses Land auch in Zukunft jenes religiös-kulturelle Mosaik bleibt, das es so viele Jahrhunderte hindurch war. Für die orthodoxen Christen in aller Welt – auch für die in Österreich – hat Syrien eine besondere Bedeutung, weil viele Wurzeln von Liturgie, Theologie, Frömmigkeit, christlicher Kunst vor allem in diesem Land liegen, das seit der Zeit der Apostel immer ein Brennpunkt christlichen Lebens war. Daher richten die orthodoxen Bischöfe und Bischofsvikare in Österreich an die anderen Christen unseres Landes, aber auch an alle Menschen, denen Menschenrechte und Pluralismus ein Anliegen sind, den Appell, in Wort und Tat für den Frieden in Syrien einzutreten.