Freitag 26. April 2024

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Die aktuelle Ausgabe Frühjahr-Sommer/2019

 

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NEU! "Orthodoxe Religionspädagogik"

an der Universität Wien

 

 

Der Sinn der Großen Fastenzeit (4. Teil)

Das wahre Fasten         

„Wenn wir in Bezug auf die Nahrung fasten, dann enthalten wir uns auch von jeglicher Leidenschaft.“

 

„Halten wir uns an das Fasten, das für Gott annehmbar und angenehm ist. Das wahre Fasten ist, wenn wir uns jeglichem Bösen entfernen, wenn wir die Sprache zähmen, wenn wir uns von Zorn fernhalten und der Gier, der Verleumdung, der Lüge und dem falschen Zeugnis entsagen.

 

Halten wir das Fasten nicht nur durch Entsagung von Nahrung, sondern auch durch die Abkehr von allen körperlichen Leidenschaften“. (8)

Diese innere Bedeutung des Fastens ist am prägnantesten in der Triade ausgedrückt: Gebet, Fasten, Wohltätigkeit. Wen wir es vom Gebet und vom Erhalt der Hl. Gaben trennen, wenn es mit den Taten des Mitleidens nicht verbunden ist, dann wird unser Fasten pharisäisch, sogar dämonisch. Ein solches Fasten führt nicht zu Reue und Freude, sondern zu Hochmut, einer inneren Angespanntheit und Reizbarkeit. Auf die Beziehung zwischen dem Gebet und dem Fasten deutet klar Vater Aleksandar Jeljcaninov hin. Ein Gegner des Fastens sagte zu ihm: „Unsere Arbeit leidet und wir werden reizbar…Nie habe ich die Diener (im vorrevolutionären Russland) so schlecht gelaunt gesehen, wie während der letzten Tage der Leidenswoche (Karwoche – Anm. d. Übers.). Offensichtlich wirkt sich das Fasten schlecht auf die Nerven aus!“ Vater Aleksandar antwortete darauf: „Sie sind gänzlich im Recht…Wenn es nicht mit dem Gebet und einem intensiven geistlichen Leben verbunden ist, dann führt das Fasten nur zur Steigerung der Reizbarkeit. Es ist natürlich, dass die Diener, die das Fasten ernst nehmen, während sie genötigt sind in der Großen Fastenzeit hart und ohne Erlaubnis zum Kirchenbesuch zu arbeiten – oft wütend und reizbar sind“. (9)     

 

Das Fasten also ist wertlos, sogar schädlich, wenn es nicht mit dem Gebet vereint ist. Im Evangelium wird gesagt, dass der Teufel nicht nur durchs Fasten vertrieben wurde, sondern mit „Gebet und Fasten“ (Mt 17, 21; Mk 9, 29). Für die ersten Christen wird nicht gesagt, dass sie nur gefastet haben, sondern, dass sie „gefastet und gebetet haben“ (Apg 13,3, vgl. 14, 23). Im Alten wie auch Neuen Testament ist das Fasten nicht sich selbst das Ziel, sondern Hilfe für ein stärkeres und lebendigeres Gebet, als Vorbereitung für entschlossene Taten und die direkte Begegnung mit Gott. So war das 40-tägige Fasten unseres Herrn in der Wüste die unmittelbare Vorbereitung für Sein öffentliches dienen (Mt 4, 1-11). Als Moses auf dem Berg Sinai gefastet hat (Ex 34, 28), und Elija auf dem Gottesberg Horeb (1 Kön 19, 8-12), dann war das Fasten in beiden Fällen verbunden mit der Selbstoffenbarung Gottes (Theophanie).    

Diese gleiche Verbindung zwischen dem Fasten und der Selbstoffenbarung Gottes ist auch im Fall des Hl. Petrus ersichtlich (Apg 10, 9-17): Und Petrus ging auf das ebene Dach um zu Gott zu beten, es war um die sechste Stunde. Da wurde er hungrig und wollte essen; Während man etwas zubereitete, kam eine Verzückung über ihn…und dann rief ihn die göttliche Stimme. Das ist immer der Sinn des asketischen Fastens – um uns, wie der Triod sagt, zu ermöglichen, dem hohen Berg des Gebets sich zu nähern. (10)  

Fasten und Gebet können ihrerseits sich mit der Wohltätigkeit verbinden – mit der Liebe zu den anderen, die sich praktisch manifestiert, in den Taten des Mitleidens und der Vergebung. Acht Tage vor dem Beginn der Großen Fastenzeit, am Sonntag des Jüngsten Gerichts, wird aus dem Evangelium die Parabel von den Schafen und Böcken gelesen (Mt 25, 31-46), die uns daran erinnert, dass das Maß am Jüngsten Gericht nicht die Strenge unseres Fastens sein wird, sondern die Hilfe, die wir jenen zuteil haben kommen lassen, die sie benötigt haben. Den Worten des Triod folgend,

 

„Wissend über das Gebot des Herrn, so soll dies die Art unseres Lebens sein. Nähren wir den hungrigen, tränken wir den durstigen, kleiden wir den nackten, nehmen wir den reisenden auf, besuchen wir die eingesperrten und kranken. Dann wird der Richter des ganzen Universums auch zu uns sagen: Kommt ihr Meines Vaters gesegneten, erbt das Reich, das für euch vorbeireitet wurde. (11)

 

Erwähnen wir hierbei, dass diese Strophen ein typisches Beispiel für den „evangelium-bezogenen“ Charakter der orthodoxen liturgischen Bücher. Wie viele andere Texte im Triod, so ist auch dieser eine Paraphrase auf die Worte der Heiligen Schrift. (12) Diese Liebe gegenüber den anderen sollte nicht auf formale Gesten oder auf sentimentale Gefühle beschränkt sein, sondern sie sollte sich in den Taten der Wohltätigkeit zeigen. Das war die Überzeugung der frühen Kirche. Der Hirte Jerme aus dem 2. Jahrhundert verlangt, dass das Geld, das während der Fastenzeit eingespart wird, den Witwen, Waisen und Armen geschenkt wird. (14) Wohltätigkeit, jedoch, ist mehr als dies – es genügt nicht allein unser Geld zu geben, sondern auch unsere Zeit, nicht nur das was wir haben, sondern auch das was wir sind oder mit anderen Worten, uns selbst zu geben.

 

Wenn wir hören, dass der Triod von Wohltätigkeit spricht, dann sollte man dieses Wort stets in der tieferen Bedeutung verstehen. Denn das alleinige Geben von Geld kann ein Tausch oder Vermeidung sein, eine Art Schutz von der engeren, persönlicheren Verbindung mit jenen, die in Not sind.    

 

Auf der anderen Seite, wenn jemand in materieller Not ist und wir ihm nichts außer überzeugenden Ratschlägen bieten, dann heißt es genauso, dass wir von der Verantwortung flüchten. Wenn wir uns die bereits erwähnte Einheit des menschlichen Körpers und der Seele vergegenwärtigen, dann werden wir uns bemühen, unsere Hilfe, sowohl auf dem materiellen wie geistlichen Niveau anzubieten.

 

„Wenn du einen nackten siehst, dann kleide ihn, und entziehe dich nicht deiner Verwandten“. Die orthodoxe Liturgietradition, genauso wie die Tradition des Westens, hält die Verse 3-8 im 58. Kapitel des Buches Jesaja als den grundlegenden Text, mit dem das Fasten verbunden ist. So lesen wir im Triod:

 

Während wir körperlich fasten, Brüder, fasten wir auch im Geist.

 

Lösen wir das Band der Gottlosigkeit, entbinden wir die Fesseln Last, entlassen wir die Unterworfenen und zerstören wir jedes Joch; geben wir Brot dem hungrigen und nehmen wir in unsere Häuser die Armen, die kein Dach zum Schutze haben, um die große Milde Christi unseres Gottes zu erhalten. (15)

 

In jedem Moment unserer Enthaltsamkeit müssen wir uns den Rat des Hl. Paulus vor Augen führen, dass wir nicht richten, die weniger streng fasten: wer kein Fleisch isst, richte den nicht, der es isst (Röm 14, 3). Genauso erinnern wir uns an den Tadel Christi wegen dem Zurschaustellen des Gebetes, des Fastens und der Wohltätigkeit (s. Mt 6, 1-18). Der Triod bezieht sich oft auf diese beiden Textstellen der Heiligen Schrift:

 

Schau gut, meine Seele, ob du fastest? Dann verachte nicht den Nächsten. Enthältst du dich der Nahrung? Dan richte nicht den Bruder.

8.    Abendgottesdienst am Sonntag des Vergebens, Abendgottesdienst am Montag und Dienstag der ersten Fastenwoche
9.    The Diary of a Russian Priest (London, 1967, с. 128.)
10.    Frühgottesdienst am Dienstag der ersten Fastenwoche.
11.    Abendgottesdienst am Samstag Abend (Sonntag des Jüngsten Gerichts)
12.    Vgl. mit dem Text der Äbtissin Maria und Archimandit Kallist Ware; Festminej (The    Festal Menaion, London, 1969,. с. 16.)
13.    Siehe im weiteren Text
14.    Similitudes, V, iii, 7.
15.    Abendgottesdienst am Mittwoch der ersten Fastenwoche.

 

Bischof Kallistos Ware, Metropolit von Diokleia und Professor für orthodoxe Studien an der Oxford University, sowie Autor zahlreicher Bücher über die orthodoxe Kirche.

 

Fortsetzung folgt…

 

(Quelle: www.svetosavlje.org – Übersetzung Mag. Mirko Kolundzic)

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